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Kann man Studien zu Risiken von Medikamenten trauen ?

on Montag, 11 November 2019.

Kann man Studien zu Risiken von Medikamenten trauen ?

Bei Recherchen oder Diskussionen aufgrund medizinischer Studien über den gesundheitlichen Nutzen oder die Risiken von Medikamenten, trifft man fast immer auf Ergebnisse und Statistiken, die zu hinterfragen sind.

Mehr Informationen über die entscheidenden Konzepte von Risiken helfen, um eine Urteilsfähigkeit zu erlangen, die dabei hilft, gesundheitliche Vor- und Nachteile kritisch zu verstehen.

Ein bestehendes Risiko bedeutet nur die Möglichkeit, dass etwas eintritt

Bei der Abschätzung von Krankheitsrisiken wird die Wahrscheinlichkeit untersucht, mit der eine Person oder eine Personengruppe in einem bestimmten Zeitraum erkrankt- oder nicht. Erforscht wird dabei auch, welche Eigenschaften oder Verhaltensweisen mit dem erhöhten oder verminderten Risiko verbunden sind. Um das Risiko genauer anzugeben, werden große Personengruppen untersucht. So soll ausgeschlossen werden, dass Zufälle die Ergebnisse verzerren.

EIN BEISPIEL:
In einer 10-jährigen Studie mit 10.000 älteren Bluthochdruck-Patienten nahm die Hälfte der Teilnehmer einen Blutdrucksenker ein, die andere Hälfte erhielt ein Placebo. In der Placebo Gruppe starben 500 Menschen - 10 % der Studiengruppe- an einem Herzinfarkt. In der Gruppe, die den Blutdrucksenker nahm, erlitten 300 Menschen einen tödlichen Herzinfarkt- 6 % der Studiengruppe. Außerdem starben während der Studie zwei Personen in der Placebo Gruppe – 0,04 % der Teilnehmer - an einer Leberkrankheit In der Gruppe/ die den Blutdrucksenker erhielt, waren es vier Personen - 0,08 % der Teilnehmer.

Mit diesem Beispiel lassen sich Risiken folgendermaßen erläutern:

• Relatives Risiko –
Das relative Risiko, das bei der Einnahme des Blutdrucksenkers entsteht, wird in einem Prozentwert angegeben. Er drückt aus, um wie viel niedriger ein 6%iges Risiko im Verhältnis zu einem 1O%igen Risiko ist.
Verglichen mit der Einnahme eines Placebos reduzierte der Blutdrucksenker also das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt um 40 %.

ln Bezug auf das Risiko für die tödliche Leberkrankheit drückt der Prozentwert das relative Risiko aus, um wie viel höher ein 0,08%iges Risiko im Verhältnis zu einem 0,04%igem Risiko ist.
Für Teilnehmer, die den Blutdrucksenker nahmen, war demnach das Risiko, an der Lebererkrankung zu sterben, 100 % höher als für Teilnehmer der Placebo Gruppe.

• Absolutes Risiko –
Hier wird das Risiko durch die Einnahme des Blutdrucksenkers in einer absoluten Zahl angegeben. Sie gibt an, um wie viel niedriger ein 6%iges Risiko im Vergleich zu einem 1O%igen Risiko ist.
Für Teilnehmer, die den Blutdrucksenker einnahmen, sank demnach das Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt um 4 Prozentpunkte. Manchmal wird dafür auch die Formulierung "ein Unterschied von 4 Prozentpunkten" benutzt.

ln Bezug auf das Risiko für eine tödliche Lebererkrankung bedeutet das absolute Risiko, um wie viel höher ein 0,08%iges Risiko im Vergleich zu einem 0,04%igen Risiko ist. Das heißt, verglichen mit der Placebo Gruppe war das absolute Risiko, an einer Lebererkrankung zu sterben, in der Gruppe, die den Blutdrucksenker bekam, um 0,04 % erhöht.

Risiko heißt: Fragen stellen

Es ist also gerade für den Laien nicht immer leicht, Ergebnisse von Studien richtig einzuschätzen. In jedem Fall sollten - aus dem Beispiel - folgende Fragen gestellt werden:

• Ist die untersuchte Krankheit häufig oder selten? –
Verändert sich das Risiko für eine seltene Erkrankung erheblich, betrifft das nur wenige Menschen. Verändert sich dagegen das Risiko für eine häufige und tödliche Erkrankung, wie eine Herzkrankheit, dagegen nur leicht, sind viele Menschen betroffen.

Ein Rechenbeispiel:
Wenn pro Jahr einer von 10.000 Menschen eine seltene Krankheit bekommt und dieses Risiko um 100% ansteigt, sind nur zwei der 10.000 Menschen betroffen. Erleiden dagegen pro Jahr 1.000 von 10.000 Herzpatienten einen Herzinfarkt, bedeutet ein Risikoanstieg von nur 1 %, dass jedes Jahr 100 Patienten zusätzlich einen Herzinfarkt bekommen.

• Wen betrifft die Studie? –
Oft werden nur bestimmte Personengruppen in eine Studie aufgenommen und untersucht. Kriterien können sein: Geschlecht oder Alter, eine bestimmte Krankheit oder ein bestimmter Schweregrad einer Krankheit. Damit man Erkenntnisse gewinnt, müssen die Studienteilnehmer nicht in allen Punkten einem bestimmten Profil entsprechen.

• Wie viele Studienteilnehmer gab es? –
Um ein Risiko abschätzen zu können, sollte man ungefähr wissen, wie viele Teilnehmer an der Studie teilgenommen haben. Grundsätzlich gilt, Ergebnisse von Studien mit wenigen Teilnehmern sind eher durch Zufall zustande gekommen.

• Wie lange lief die Studie?
Auch die Laufzeit einer Studie kann Risikoanalysen ebenso stark verzerren wie andere Faktoren. So sind Risiken, die erst nach 20 Jahren auftreten für einen 80-Jährigen eventuell nicht so wichtig wie für einen 40-Jährigen.
Oder: bezieht sich ein Studienergebnis zum Beispiel auf ein experimentelles Medikament für Krebs im fortgeschrittenen Stadium, das die Überlebenszeit verdoppeln soll, so klingt "Verdopplung" schon nicht mehr so eindrucksvoll, wenn die prognostizierte Überlebensrate nur ein oder zwei Monate beträgt.